Bürgerrechte der Menschen in Twer schützen! (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Piraten)

Der Rat der Stadt Osnabrück nimmt mit großer Sorge die derzeitigen Vorbereitungen der
russischen Duma für ein Gesetz gegen die „Propagierung“ von Homosexualität zur Kenntnis.
Der Rat der Stadt Osnabrück erklärt sich solidarisch mit den lesbisch, schwul, bisexuell und
transgender lebenden Bürgerinnen und Bürgern ihrer Partnerstadt Twer, denen mit diesem
Gesetz wesentliche Bürgerrechte entzogen werden sollen. Das geplante Gesetz ist eine
massive Verletzung von Meinungs-, Presse-, Kunst- und Versammlungsfreiheit für alle
Menschen in Russland. Ein solches Gesetz verstößt gegen die Menschenrechte.

Der Inhalt der Vorlage unterstützt folgende/s strategische/n Stadtziel/e:

Die Stadtmarke Friedensstadt wird aufgrund aktueller Aktivitäten erkennbar stärker
wahrgenommen. (Ziel 2013)

Sachverhalt:
Im russischen Parlament (der Duma) wird derzeit ein Gesetz vorbereitet, das die
„Propagierung“ von Homosexualität in der Öffentlichkeit verbieten soll. Jedes Reden über
Homosexualität in der Öffentlichkeit wäre damit verboten. Durch das Gesetz würden Küsse
gleichgeschlechtlich liebender Menschen in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt, das
Zeigen der Regenbogenfahne – das Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung – sowie
Demonstrationen für die Rechte von Homosexuellen würden mit hohen Geldstrafen
geahndet. Ferner ist zu befürchten, dass angesichts dieses Verbotes auch die Aufklärung
über HIV und Aids eingeschränkt werden könnte. Das geplante Gesetz ist eine massive
Verletzung von Meinungs-, Presse-, Kunst- und Versammlungsfreiheit für alle Menschen in
Russland. Es würde die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Rechte
von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender einsetzen, erheblich erschweren.

Betroffen von diesem Gesetzesvorhaben sind auch die lesbisch, schwul, bisexuell und
transgender lebenden sowie alle 460.000 Bürgerinnen und Bürger der Stadt Twer. Die Stadt
Osnabrück unterhält seit 1991 eine Städtepartnerschaft mit Twer. Es gibt einen regen
Austausch mit den offiziellen Vertreterinnen und Vertretern der Stadt, aber auch mit der
Zivilgesellschaft. Eine Einschränkung der Bürgerrechte in Russland würde auch die
Menschen in unserer Partnerstadt tangieren. Deshalb sollte der Rat der Stadt Osnabrück der
Verabschiedung dieser bürgerrechtsverletzenden Gesetzgebung nicht tatenlos zusehen.

Beratungsverlauf:

Herr Wurm begründet den Antrag namens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Er macht
deutlich, dass die vorliegende Solidaritätsadresse an alle Menschen in Twer, aber besonders
für die Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender gerichtet sei. Sie sei angelehnt an
die Aktion „Freundschaftskuss“ des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland. Diese
Aktion richte sich an alle Städte in Deutschland, die Städtepartnerschaften mit russischen
Städten haben und die gebeten werden, sich gegen das Zustandekommen des Gesetzes
auszusprechen, das die „Propagierung“ von Homosexualität in der Öffentlichkeit verbieten
soll. Er führt aus, dass auch 20 Jahre nach Abschaffung der Strafbarkeit der Homosexualität
in Russland die Situation der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender sehr
schwierig sei. Er schildert Einzelheiten der derzeitigen Situation und legt dar, dass 84 % der
russischen Bevölkerung die entsprechende Personengruppe für geisteskrank halte. Die
Möglichkeiten zum Austausch, die die Städtepartnerschaft mit Twer biete, sollen dafür
genutzt werden, das Gespräch über die drohende Verabschiedung der
bürgerrechtsverletzenden Gesetzgebung zu suchen.

Herr Dr. E. h. Brickwedde legt namens der CDU-Fraktion dar, dass es sich in der
vorliegenden Frage um Grundsatzfragen der Entwicklung der Demokratie des Rechtsstaates
und eine Frage des Schutzes von Minderheiten handele – dies in einem Land, zu dem
freundschaftliche Beziehungen gewollt seien und in einer Stadt, mit der ein
Freundschaftsvertrag bestehe. Es gehe darum, durch die Zusammenarbeit die
Zivilgesellschaft und die Rechtsstaatlichkeit in Russland zu stärken; keinesfalls sei eine
oberlehrerhafte Belehrung beabsichtigt. Allerdings müsse es möglich sein, im Rahmen der
Partnerschaft zu Twer Fragen der drohenden Verletzung von Menschenrechten
anzusprechen. Er hebt nachdrücklich hervor, dass außerordentliches Interesse an der
Aufrechterhaltung der Beziehungen zu Russland und der Städtepartnerschaft zu Twer
bestehe. Über die Ausführungen von Herrn Wurm hinaus seien weitere Einschränkungen der
demokratischen Rechte der Bevölkerung zu verzeichnen. Aufgrund der eigenen, leidvollen
Erfahrungen der Geschichte des deutschen Volkes werde der Einhaltung der
Menschenrechte eine außerordentlich hohe Bedeutung beigemessen. In aller Freundschaft
sollen die Kontakte zur Partnerstadt Twer genutzt werden, deutlich zu machen, dass die
derzeitige politische Entwicklung in Russland mit Sorge betrachtet werde. An die Vertreter
der Partnerstadt Twer werde die eindringliche Bitte gerichtet, alles zu tun,
Menschenrechtsverletzungen entgegenzutreten.

Herr Dr. Thiele nimmt namens der FDP-Fraktion Bezug auf die Anfrage seiner Fraktion zur
vergangenen Ratssitzung zu dem angesprochenen Themenkomplex und äußert sich
befriedigt darüber, dass sich in der angesprochenen Frage ein Konsens im Rat abzeichne.
Er verweist auf den schriftlich vorliegenden Ergänzungsantrag seiner Fraktion. Er bezeichnet
es als Aufgabe innerhalb der Städtepartnerschaft, ein Signal an die Bevölkerung von
Twer zu geben, ihre derzeitige Haltung zu überdenken. In dem beschriebenen Sinne
wünscht er sich zielführende Gespräche bei den Besuchen zur Maiwoche.

Herr Henning erläutert namens der SPD-Fraktion das derzeitige Gesetzesvorhaben des
russischen Parlamentes. Er sieht es als erforderlich an, dass die Friedensstadt Osnabrück
bei den anstehenden Gesprächen im Rahmen der Maiwoche hierzu Stellung beziehe oder
den bevorstehenden Aufenthalt für entsprechende Gespräche zu nutzen. Eine
funktionierende Städtepartnerschaft müsse die entsprechende Kritik aushalten. Insofern sei
die Annahme der heutigen Anträge richtig und zielführend.

Herr Mierke macht deutlich, dass er als Vertreter der UWG den Antrag nicht unterstützen
werde, obwohl dessen Inhalte seine volle Unterstützung genießen und insbesondere die
Ausführungen von Herrn Dr. E. h. Brickwedde von ihm geteilt werden. Dennoch stelle sich
ihm die Frage, ob die bestehende Städtepartnerschaft in dem dargelegten Sinne genutzt
werden sollte. Vielmehr wäre es sein Vorschlag, die Bundestags- und
Landtagsabgeordneten des Osnabrücker Raumes sowie die Bundesregierung in dem
genannten Sinne anzusprechen und einzubinden.

Herr Cheeseman begrüßt die Einbringung des Antragsgegenstandes in den Rat als Schritt in
die richtige Richtung; hier dürfe allerdings der Rat nicht stehenbleiben; aus China bekannt
gewordene Verletzungen der Menschenrechte werden nicht kritisiert. Im Sinne der
Schärfung des Profils Osnabrücks als Friedensstadt sei es konsequent, auch hierzu eine
Position zu entwickeln. Er legt dar, dass die Fraktion Die Linke den schriftlich vorliegenden
Ergänzungsantrag zurückziehe, da die entsprechende Initiative den Ratsmitgliedern
überlassen werden solle.

Herr Wurm macht deutlich, dass die von Herrn Mierke geforderte Einbeziehung der Bundes-
und Landespolitikebene bereits stattgefunden habe und das entsprechende Vorgehen
breiter als heute dargestellt angelegt sei.

Sodann führt Herr Ratsvorsitzender Thöle die Abstimmung über den Ursprungsantrag der
Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Linke und Piraten unter Einbeziehung
des Erweiterungsvorschlags der FDP-Fraktion wie folgt herbei:

Abweichender Beschluss:

1. Als Friedensstadt will Osnabrück friedensstiftend und stabilisierend wirken und
zeigt Verantwortung für globale Entwicklungen. Eine Leitlinie als Stadt des Friedens
ist die Förderung einer Kultur der Toleranz und Konfliktfähigkeit.
Der Rat der Stadt nimmt mitgroßer Sorge die derzeitigen Vorbereitungen der russischen
Duma für ein Gesetz gegen die „Propagierung“ von Homosexualität zur Kenntnis. Der Rat
der Stadt Osnabrück erklärt sich solidarisch mit den lesbisch, schwul, bisexuell und
transgender lebenden Bürgerinnen und Bürgern ihrer Partnerstadt Twer, denen mit diesem
Gesetz wesentliche Bürgerrechte entzogen werden sollen. Das geplante Gesetz ist eine
massive Verletzung von Meinungs-, Presse-, Kunst- und Versammlungsfreiheit für alle
Menschen in Russland. Ein solches Gesetz verstößt gegen die Menschenrechte.

2. Die Verwaltung wird aufgefordert, für zukünftige Partnerschaftstreffen anzuregen,
das auch der Besuch von Nichtregierungsorganisationen (NGO´s) mit in das
Besuchsprogramm aufgenommen wird.

Abstimmungsergebnis:

Der abweichende Beschluss wird einstimmig angenommen.

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