Der Rat der Stadt hat in seiner Sitzung am 7. Mai 2013 eine Vorkaufsrechtssatzung im
Bereich des Bebauungsplans Nr. 600 – Einkaufszentrum Neumarkt – (vorhabenbezogener
Bebauungsplan) gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 BauGB zur Sicherung einer geordneten
städtebaulichen Entwicklung beschlossen (VO/2013/2613). Ziel der Vorkaufsrechtssatzung
ist es, im Bereich des Bebauungsplans Nr. 600 – Einkaufszentrum Neumarkt –
(vorhabenbezogener Bebauungsplan) ein Einkaufszentrum mit einer ausreichend großen
Verkaufsfläche und einer damit zusammenhängenden regionalen Sogkraft zu entwickeln und
die Verkehrsströme zum oder vom Einkaufszentrum so zu lenken, dass eine ausreichende
Belebung der Johannisstraße entsteht, um den Bereich südlich des Neumarkts als tragfähige
Einkaufszone für die Stadt Osnabrück zu stärken und zu sichern, so dass die
Voraussetzungen für den Erlass einer Vorkaufsrechtssatzung gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2
BauGB nach Auffassung der Verwaltung vorliegen.
Lediglich 10 Monate zuvor, im Juni 2012, hatte die Verwaltung auf Nachfrage der SPD-Fraktion
im Zusammenhang mit dem Erwerb der sog. „Sperrgrundstücke“ in der
Johannisstraße durch den Eigentümer der Firma L&T, Herrn Rauschen, noch die Position
vertreten, dass im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans,
insbesondere im Bereich eines Vorhaben- und Erschließungsplans eines Vorhabenträgers,
die Anwendung der Vorkaufsregelungen des Baugesetzbuchs ausgeschlossen seien.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:
1. Warum hat die Verwaltung die in der Vorlage VO/2013/2613 dargestellte
Rechtsauffassung nicht bereits vor 10 Monaten im Juni 2012 vertreten?
2. Welche neuen Erkenntnisse hat die Verwaltung innerhalb von 10 Monaten
gewonnen, um zu einer derart veränderten Rechtsauffassung, was das Vorkaufsrecht
anbelangt, zu gelangen?
3. Hätte der Erwerb der sog. „Sperrgrundstücke“ in der Johannisstraße durch den
Eigentümer der Firma L&T, Herrn Rauschen, verhindert werden können, wenn die
Verwaltung auf der Grundlage der in der Ratsvorlage vom 23.04.2013
(VO/2013/2613) geäußerten Rechtsauffassung, bereits vor über einem Jahr dem Rat
eine Vorkaufsrechtssatzung im Bereich des Bebauungsplans Nr. 600 –
Einkaufszentrum Neumarkt – (vorhabenbezogener Bebauungsplan) gemäß § 25 Abs.
1 Nr. 2 BauGB zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zur
Beschlussfassung vorgelegt hätte?
Antwort der Verwaltung:
Zu 1.:
Der Rat hat am 17.05.2011 beschlossen, ein Verfahren zur Aufstellung eines
vorhabenbezogenen Bebauungsplans einzuleiten, sofern ein Investor erklärt, einen
Vorhaben- und Erschließungsplan für die Errichtung eines Einkaufszentrums aufzustellen. Im
Juni 2012 wies die Verwaltung darauf hin (Sitzung des Verwaltungsausschusses vom
19.06.212 und Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt vom 28.06.2012,
siehe auch Vermerk der Verwaltung vom 18.06.2012), dass gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2
Halbsatz 2 BauGB im Bereich eines Vorhaben- und Erschließungsplans die Regelungen
zum gemeindlichen Vorkaufsrecht keine Anwendung finden. Ebenso finden auch die
Regelungen zu Veränderungssperren und Zurückstellungen von Baugesuchen keine
Anwendung.
Diese Rechtsauffassung ist nach wie vor zutreffend und steht auch nicht im Widerspruch zur
Ratsvorlage für den 07.05.2013 zur Begründung einer Vorkaufssatzung im Bereich des
Bebauungsplans Nr. 600 – Einkaufszentrum Neumarkt – (VO/2013/2613).
Zu 2.:
Bei der Entwicklung eines Einkaufszentrums am Neumarkt zwischen Neumarkt,
Johannisstraße, Große Rosenstraße, Kolpingstraße und Lyrastraße handelt es sich um eine
sehr komplexe städtebauliche Aufgabenstellung. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass
Konzepte weiterentwickelt werden, sich Kenntnisstände ändern, aber auch rechtliche
Beurteilungen geänderten Sachlagen angepasst werden müssen.
Seit 2011 führt die Verwaltung intensive Gespräche mit der mfi AG aus Essen als
Projektentwicklerin für ein Einkaufszentrum am Neumarkt. Die im März 2011 von der mfi AG
vorgelegten Pläne für ein Einkaufszentrum zeigen eine Einbeziehung sämtlicher
Grundstücke an der Johannisstraße zwischen Neumarkt und Große Rosenstraße. Diese
sollten Gegenstand des Vorhaben- und Erschließungsplans sein. Aktualisierte Pläne vom
16.01.2012 sparen bereits einige dieser Grundstücke an der Johannisstraße aus, da diverse
Grundstücksankäufe im Zuge der Ankaufbemühungen von der mfi AG als unwahrscheinlich
eingestuft wurden. Die im späteren Verlauf als sog. „Sperrgrundstücke“ bezeichneten
Grundstücke waren zu diesem Zeitpunkt allerdings noch Teil der Vorhabenplanung. Daran
änderte sich auch nichts, als der Verwaltung aktualisierte Pläne mit Datum vom 09.03.2012
vorgelegt wurden.
Die Projektentwicklerin hat gegenüber der Verwaltung immer deutlich und klar formuliert,
über die betreffenden Grundstücke schon bald verfügen zu können, da sie sich nach
eigenem Bekunden in konkreten und aussichtsreichen Vertragsverhandlungen mit den
Grundstückseigentümern befand. Es wurde zu keinem Zeitpunkt vor dem Erwerb der
„Sperrgrundstücke“ durch einen Fremdinvestor (Kaufvertrag vom 21.03.2012) seitens der
Projektentwicklerin über Schwierigkeiten berichtet.
Am 25.09.2012 fasste der Rat auf Vorschlag der Verwaltung einen Aufstellungsbeschluss für
einen Bebauungsplan im regulären Verfahren, um plansichernde Instrumente, wie den
Erlass einer Veränderungssperre oder die Zurückstellung von Baugesuchen, anwenden zu
können. Ende 2012 wurde hiervon in Form einer Zurückstellung eines Baugesuchs an der
Johannisstraße Gebrauch gemacht.
Nachdem die Vorhabenträgerin ihre Pläne für ein Einkaufszentrum am Neumarkt (Pläne vom
19.10.2012) weiter konkretisiert hatte, wurde seitens der Verwaltung die frühzeitige
Beteiligung der Öffentlichkeit zu der städtebaulichen Planung vorbereitet. Gleichzeitig sah
die Verwaltung vor, das Bauleitplanverfahren entsprechend dem Ratsauftrag als
vorhabenbezogenen Bebauungsplan fortzuführen. Dabei wurde von der Regelung des § 12
Abs. 4 BauGB Gebrauch gemacht, die es ermöglicht, einzelne Flächen (Fremdgrundstücke
an der Johannisstraße) auch außerhalb des Bereichs des zukünftigen Vorhaben- und
Erschließungsplans (Grundstücke in der Verfügungsgewalt der Vorhabenträgerin) in den
Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans einzubeziehen. Diese
Vorgehensweise stellt eine Reaktion darauf dar, dass es der Vorhabenträgerin im Vorfeld
nicht gelungen war, die Verfügungsgewalt über die auch zum Erreichen der städtebaulichen
Zielsetzung der südlichen Anbindung des geplanten Einkaufszentrums an die
Johannisstraße erforderlichen Flächen zu erlangen. Diesem Vorschlag ist der Ausschuss für
Stadtentwicklung und Umwelt mit Beschluss vom 04.04.2013 gefolgt.
Diese mit dem Rechtsberater der mfi AG gemeinsam entwickelte Rechtskonstruktion
entspricht insofern nicht der Regelannahme, dass der Geltungsbereich eines
vorhabenbezogenen Bebauungsplans deckungsgleich mit dem Vorhaben- und
Erschließungsplan ist. Dem Regelfall liegt die gesetzgeberische Annahme zugrunde, dass
ein Vorhabenträger bereit und in der Lage ist, das geplante Vorhaben innerhalb einer
bestimmten Frist durchzuführen. Das schließt ein, dass der Vorhabenträger die
Verfügungsgewalt über die zum Vorhaben gehörenden Grundstücke besitzt. Im vorliegenden
Fall musste jedoch der Bereich des geplanten Vorhaben- und Erschließungsplans im
Projektverlauf stufenweise reduziert werden, weil einige der ursprünglich einbezogenen
Grundstücke nicht erworben werden konnten.
Erst mit der Entscheidung, den Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans auf die
tatsächlich verfügbaren Grundstücke zu beschränken und die weiteren Optionsflächen
dennoch in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einzubeziehen, wurde der Erlass einer
Vorkaufsrechtsatzung für die bisher noch nicht verfügbaren Grundstücke möglich. Zur
Klarstellung sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ein gemeindliches Vorkaufsrecht
auch im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans begründet werden
kann, sofern die betroffenen Grundstücke nicht im Geltungsbereich des dazugehörigen
Vorhaben- und Erschließungsplans liegen.
Hinzu kommt, dass erst mit dem Beschluss über die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung
zum Bebauungsplan Nr. 600 – Einkaufszentrum Neumarkt – (vorhabenbezogener
Bebauungsplan) klare städtebauliche Zielvorgaben seitens der Stadt formuliert waren –
insbesondere die starke Anbindung der Johannisstraße an das zukünftige Einkaufszentrum –
(s. Begründung zum Vorentwurf). Insofern konnte zu diesem Zeitpunkt aus Sicht der
Verwaltung das Wohl der Allgemeinheit als Rechtfertigungsgrund für eine gemeindliche
Vorkaufssatzung im Sinne des § 25 Abs. 1 Nr. 2 BauGB rechtssicherer begründet werden
als ohne die Begründung zum Bebauungsplanvorentwurf. Diese Rechtsauffassung hat die
Verwaltung zur Begründung einer Vorkaufssatzung im Bereich des Bebauungsplans Nr. 600
– bezogen auf die Grundstücke, die zwar innerhalb des vorhabenbezogenen
Bebauungsplans, aber außerhalb eines zukünftigen Vorhaben- und Erschließungsplans
liegen – in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt am 25.04.2013
dargelegt.
Da die Ausübung eines Vorkaufsrechts einen erheblichen Eingriff in das verfassungsrechtlich
geschützte private Eigentum darstellt, ging der Ausarbeitung einer Vorkaufssatzung eine
umfassende rechtliche Prüfung, auch mittels externer Rechtsberatung, voraus.
Zu 3.:
Am 30.03.2012 wurde die Verwaltung über den Verkauf der drei sog. „Sperrgrundstücke“ an
der Johannisstraße an einen Fremdinvestor unterrichtet. Ein Vorkaufsrecht der Stadt
Osnabrück bestand zu diesem Zeitpunkt nicht, da die Vorhabenträgerin davon ausging, die
für das Einkaufszentrum erforderlichen Grundstücke erwerben zu können.
Hätte zuvor die Vorhabenträgerin gegenüber der Verwaltung deutlich zu erkennen gegeben,
dass sie nicht in der Lage ist, die für ihr Vorhaben notwendigen Grundstücke zu erwerben
und somit auch keinen Vorhaben- und Erschließungsplan als Bestandteil eines
vorhabenbezogenen Bebauungsplans vorlegen kann, hätte die Stadt von ihrer
ursprünglichen Zielvorgabe abrücken müssen, das geplante EKZ über einen Vorhaben- und
Erschließungsplan zu steuern. Nur unter dieser Prämisse wäre im Vorfeld des Grunderwerbs
vom 30.03.2012 die Aufstellung einer Satzung über das besondere Vorkaufsrecht möglich
gewesen. Da nämlich zu dem damaligen Zeitpunkt die „Sperrgrundstücke“ als Bestandteil
des Vorhaben- und Erschließungsplans vorgesehen waren, war aufgrund der Regelungen
des § 12, Abs. 3 BauGB die Begründung eines Vorkaufsrechts für die betreffenden
Grundstücke nicht zulässig.
Ergänzend ist den vorstehenden Ausführungen hinzuzufügen, dass bei der Ausübung eines
Vorkaufsrechts durch die Stadt der gesamte Grundstückskaufpreis inklusive
Grunderwerbssteuer zu zahlen wäre. Erst danach könnte die Stadt das Grundstück an einen
Dritten (hier: Vorhabenträgerin) weiterveräußern. Im Zuge der aktuellen Novellierung des
Baugesetzbuchs (tritt am 20.09.2013 in Kraft) soll es allerdings zukünftig möglich sein, auf
diesen Zwischenerwerb zu verzichten.
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